BF28: Schwindende Vertraulichkeit

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Marco

In der digitalen Welt funktionieren manche Dinge anders als in der realen Welt.

Im Rahmen von Videokonferenzen gelten auf einmal andere Regeln. Vieles lässt sich nicht so einfach aus der Kohlenstoffwelt in den virtuellen Raum übertragen. Auch, wenn es auf den ersten Blick so scheint.

Transkript

Das Transkript wurde maschinell erstellt und kann Fehler enthalten. Es zählt das gesprochene Wort.

Ausklappen
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Willkommen zu einer neuen Folge Bildungsfern.
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Heute möchte ich mal über den Begriff der Vertraulichkeit etwas sprechen, denn bestimmte
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Dinge, die so in der Kohlenstoffwelt, also in der physikalischen, echten, so ganz wirklich
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richtigen Welt funktionieren, lassen sich nicht ohne weiteres in Virtualität oder Digitalität
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oder ins Internet, in die Cloud übertragen.
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Auch wenn es manchmal auf den ersten Blick so scheint, denn da werden Begrifflichkeiten
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verwendet, die doch erahnen lassen oder vermuten lassen, dass es doch eigentlich irgendwie
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dasselbe ist.
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Da wird von Besprechungsräumen gesprochen, von Konferenzen, von Konferenzräumen, von
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Teilnehmern.
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Und irgendwie sind das Begriffe, die tatsächlich funktionieren in vielen Stellen, aber vielleicht
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auch nicht immer.
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Ich will mal so ein paar Gedanken hier äußern, die jetzt nicht aus konkreten Problemen heraus
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resultieren, aber vielleicht aus Problemen, die entstehen könnten oder vielleicht an anderer
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Stelle schon entstanden sind.
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Ich hatte schon an verschiedenen Stellen über Datenschutz gesprochen, also die Art und Weise,
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wie Informationen möglichst abgesichert werden, dass auch nur derjenige sie erhält, der sie
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dann erhalten soll.
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Bei der Vertraulichkeit ist es so ein bisschen ähnlich, aber da spielen so ein paar andere
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Aspekte eine Rolle.
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Nehmen wir mal an, es gäbe jetzt irgendeine Form von Liveunterricht, in dem ein Screencast
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gemacht wird, also ein Video wird aufgezeichnet oder gezeigt, sagen wir es mal eher so, dann
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ist zunächst mal eher immer unklar, was mit diesem Material passiert.
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Wir müssen erstmal auf Vertrauen hoffen, dass die andere Seite, also zum Beispiel der
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Schüler oder auch der Lehrer, da keine Aufzeichnung von macht.
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Von der Konferenzsoftware-Seite her versucht man das zwar irgendwie technisch einzudämmen,
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indem man bei Start einer Aufnahme alle Teilnehmer darüber informiert, trotzdem gibt es natürlich
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neben der Konferenzsoftware alle anderen Möglichkeiten, trotzdem eine Aufnahme zu tätigen.
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Etwa zum Beispiel, indem man eine parallele Software für Screencasts startet oder indem
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man ganz simpel mit dem Handy auf seinem Laptop oder auf seinem Bildschirm das Video aufzeichnet.
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Es ist also immer dann unklar, wenn ich etwas über diese Art und Weise kommuniziere, wo
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das am Ende landet.
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Kann also dann auch weiter veröffentlicht werden, per WhatsApp geteilt werden, bei YouTube
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veröffentlicht werden.
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Da ist also ein gewisser Bruch des vertraulichen Wortes an der Stelle leichter möglich als
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jetzt in einem konkreten Unterrichtsszenario, da würde es auffallen, wenn auf einmal jemand
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ein Video macht.
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Audioaufnahmen sind noch etwas anderes, die sind sicherlich leichter durchzuführen und
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auch zu verstecken.
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Zum Beispiel in einem Etui oder in einer Tasche kann ich auch eine Audioaufnahme machen, ohne
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dass das jemand bemerkt, jetzt hier im digitalen Raum ist das deutlich einfacher.
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Aber es muss ja auch nicht nur ein Bild sein, manchmal kann es auch ein Screenshot sein,
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der erstellt wird, auch das lässt sich natürlich nicht ohne weiteres dann immer verhindern.
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Ich weiß also nicht, was mit den Inhalten passiert, die ich in so einer Live-Situation
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produziere, daher muss ich im Zweifel immer davon ausgehen, dass es eine Art von Öffentlichkeit
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ist, die dadurch entsteht und das kann mich dann natürlich auch hindern, bestimmte Sachen
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vielleicht zu sagen oder die man so informell dahinsagt, die möchte ich dann vielleicht
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an dieser Stelle nicht mehr so sagen.
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Ein weiterer Aspekt ist, ich weiß gar nicht so genau über meinen Gegenüber, wer ist denn
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jetzt eigentlich da, also da gibt es den Begriff des Teilnehmers, aber ist der denn auch wirklich
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da, nimmt der denn auch wirklich teil, ich sehe vielleicht nur ein Icon von jemandem
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oder von etwas, von einem Account, der sich eingeloggt hat, ist der vielleicht im Moment
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überhaupt gar nicht da, sondern auf Toilette und er hat sich einfach nur eingeloggt oder
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er ist noch im Bett oder er ist in einem ganz anderen Raum und es wurde einfach nur verlangt
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von ihm sich einzuloggen, weil es irgendwelche Anwesenheitspflichten gibt, ist danach aber
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dann auch wieder gegangen.
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Das kann ich jetzt virtuell recht gut eigentlich so benutzen, im realen wird das eben nicht
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funktionieren.
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Ich würde also weniger Personen eigentlich erwarten, als mir angezeigt werden.
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Andersrum kann das aber auch passieren, es können mehr Leute, als ich eigentlich erwarten
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würde, in einer Konferenz sein, denn wenn sich nur ein Account anmeldet, heißt es nicht,
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dass auch nur eine Person zuschaut, es könnten zum Beispiel Geschwister, Eltern, im Falle
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der Berufsschule, auch Ausbilder zum Beispiel, in irgendeiner Form sich hinzuschalten und
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mitschauen oder mithören.
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Das würde man in der Kohlenstoffwelt, wenn ich sie nochmal zitieren darf, würde das sofort
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auffallen, da es da zusätzliche Personen im Raum sind, die ich nicht kenne, die ich
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vielleicht auch nicht haben möchte oder wo es zumindest mehr bewusst sein sollte, ob
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sie jetzt da sind oder nicht, denn das mag ja durchaus einen Unterschied machen, ob da
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jetzt noch zusätzliche Personen in dem Raum sind, die da eigentlich gar nicht sonst da
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sind.
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Und an diesem Verhältnis kann sich auch über den Lauf einer Konferenz durchaus etwas ändern,
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also dieses "mehr als erwartet" oder "weniger als erwartet" Personen kann sich verändern.
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Das kann ich ganz schwer nur nachvollziehen, das ist mir auch schon ein paar Mal passiert,
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dass ich gemerkt habe, dass auf einmal Personen in meiner Videokonferenz drin waren, die am
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Anfang noch nicht dabei waren oder ich war mir dann auf jeden Fall unsicher, manchmal
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melden sich die Personen dann auch, manchmal aber auch nicht, manchmal sind sie vielleicht
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nur einen kurzen Moment da und dann wieder weg und ich hab das auch gar nicht mitbekommen,
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weil ich gerade mit was anderem beschäftigt war.
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Das passiert natürlich auch durchaus in der realen Welt, ist aber in so virtuellen Räumen
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deutlich schwerer nachzuvollziehen, gerade wenn man Setups hat, die vielleicht nur einen
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Bildschirm benutzen und ich gebe gerade meinen Bildschirm frei, sehe also nicht was passiert
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sonst so mit der Gruppe, da bin ich also ein wenig eingeschränkt.
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Ja, das sind also eventuell mögliche Probleme, damit muss man auf alle Fälle irgendwie umgehen.
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Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass dadurch so informelle Informationen, die man
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so unter der Hand, weil es ja nur ein flüchtiges Wort ist, an die Schüler gibt, dass man da
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sich vielleicht eine Schere im Kopf produzieren könnte, zum Beispiel Informationen, die die
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Prüfung betreffen, vielleicht auch Hinweise zu Art der Prüfungsaufgaben, die eventuell
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kämen, was man so auf einer informellen Ebene vielleicht so sagen würde, schaut euch die
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Aufgabe noch mal ein bisschen genauer an, vielleicht entsteht da eher eine Schere im
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Kopf, als es jetzt sonst der Fall wäre.
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Es ist auch nicht so, dass ich da aus einer eigenen Erfahrung heraus jetzt spreche, dass
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mir das also passiert wäre, ich habe nur mal so ein bisschen darüber nachgedacht, was
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sein könnte, wenn, und davon können wir ja auch im Moment erstmal ausgehen, die Situation
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länger anhält.
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Wenn wir also wirklich um deutlich relevantere Dinge reden, wie Prüfungen, Leistungen, solche
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Dinge.
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Auch gerade im Hinblick auf die Aufzeichnung kann sich so etwas natürlich auch immer als,
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ich sag mal, der Feind ist das Archiv herausstellen, denn wann immer ich jetzt etwas sage, ist
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es nicht einfach nur im Raum und man könnte es vergessen oder auch anders interpretieren,
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sondern es ist dann einfach irgendwo festgehalten.
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Das, was ich gesagt habe, wurde irgendwo aufgezeichnet und kann dann im Zweifel natürlich auch gegen
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jemanden verwendet werden.
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Auch wenn es vielleicht länger zurückliegt oder wenn man der einen Gruppe etwas sagt
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und der anderen Gruppe vielleicht etwas anderes, vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst,
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das sind Dinge, die auf einmal eine viel größere Rolle oder eine viel größere Bedeutung bekommen.
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Die Inhalte, die vorher in vertraulichen kleinen Räumen passierten, sind unter Umständen
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jetzt in größeren Öffentlichkeiten.
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Ja, das waren meine Gedanken zu dem Thema der schwindenden Vertraulichkeit.
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Ich hoffe, dass die Befürchtungen nicht eintreten oder dass man zumindest Wege findet, damit
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umzugehen.
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Und wie gesagt, bisher war das auch kein Problem, sondern eigentlich nur ein Gedanke, der gekommen
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ist.
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Bis dahin, also erstmal alles Gute, bleibt zu Hause, wascht die Hände, haltet Abstand,
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wir hören uns und tschüss.
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